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Nicht Dunquerke, nicht Calais

Nächstes Ziel nach Brügge, Dünkirchen. Man will ja etwas über Geschichte kennen lernen. Aber das scheint nicht so einfach. Jedes Plätzchen für den Camper den wir anfahren ist schon überfüllt. Und dann noch ein Camping der einfach mal die Tore schliesst für 2 Tage. Weit weg von Dünkirchen, aber noch nicht in Calais finden wir durch Zufall ein Plätzchen Oye-Plage. Zuerst direkt an einem Strässchen ein Parkplatz für Camper. Dummerweise haben wir zu wenig Wasser. Also weiter suchen. Es ist schon 16 Uhr und wir müssen noch 40 km fahren. Doch kaum richtig beschleunigt sehen wir ein Pfeil der zu einem Camping führt. Clarette, nirgends aufgeführt, aber doch grösser. Und der Chef kommt auch gleich und bietet uns ein hübsches Plätzchen an.

Grill raus, Spare Ribbs auf den heissen Rost. Ein guter Znacht. Und dann ein ruhiger Schlaft nach einem kurzen Abendspaziergang. Ein sehr ruhiges Plätzchen aber eine kalte Nacht. Wir sind gespannt wann die kühlen Temperaturen dem Sommer weichen müssen.

Frühsport am Donnerstag Morgen. Ab ins Dorf Oye-Plage Brot kaufen. Wenn Du wissen möchtest wie das geht dann Klick hier drauf.

Und am nächsten Tag, haben wir dann Natur genossen. Wir sind nicht weit gefahren mit unseren Fahrräder. Aber der Wind hat uns doch etwas Leistung abverlangt. Oye Plage ist nicht nur ein Ort sondern auch eine Region. Per Velos sind wir dann bis Fort Philippe und Gravelin gefahren. Unterwegs hat es verschiedene Beobachtungsstationen. Häuschen, von denen aus man das nahe Wasser der Poldern beobachten Kann.

Grundsätzlich besteht die Gegend hier aus Poldern. Das Meer wird mit einer etwa 30m hohen Düne vom Hinterland getrennt. Und tatsächlich, schaut man vom Scheitelpunkt der Düne nach der Seeseite scheint diese höher zu sein als das dahinter liegende Land. Nicht viel, darum schwierig zu sehen.

Auch interessant, das Dickicht. Die Dünen sind bewachsen. Ein Versuch einfach so durchzuspazieren ist nicht zu empfehlen. Schau mal die Bilder.

Zur Abwechslung gab es wieder einmal ein Mittagessen. Je ein grosses Panaché und zusammen eine Portion Moules. Wir bewegen uns ja Richtung Normandie und Bretagne, also müssen wir üben Moules zu essen.

Gut genährt konnten wir den Rückweg besser bewältigen. War auch nötig, denn wir fanden einen etwas besonderen Weg und landeten prompt im Sumpf. Ein Gentleman schulterte kurzerhand seine Lady und stapfte los. Wir wählten einen Zaun, der überklettert werden wollte weil die andere Seite einen trockenen Weg versprach. Also Velos hochheben und alle 4 über den Zaun. Einige hinter uns folgten, allerdings ohne Fahrräder.

Ein einfacher Znacht besiegelte den Abend. Morgen, so geplant, soll es dann zurück nach Dünkirchen gehen. Noch immer der Geschichte nachgehen.

Allerdings, heute haben wir schon einiges an Verteidigungsanlagen aus dem 2. Weltkrieg gesehen. Oye-Plage ist also auch nicht ohne, obwohl wohl nur die lokalen die Kriegsgeschichte hier kennen.

Überall Bunker, Verteidigungslinien, Schiessscharten. Und ja heute 2024 wieder alles Aktuell. Viele unserer Politiker, oder soll ich gleich Indioten sagen, wollen dass spätere Generationen die neuste Art von Bunker besuchen können.

Ford Nummer IX oder eine traurige Geschichte

Wir sind von Trakai wieder zurückgekehrt nach Kaunas. Wir wollten hier ein spezielles Museum besuchen. Wir wussten, dass es ein spezieller Ort sein wird, aber wir wussten nicht wie speziell. Und einmal mehr mussten wir lernen, das die Geschichte so wie wir sie lernen nur die halbe Wahrheit ist. Und Ford IX in Kaunas reflektiert die Geschichte Litauens.

Kaunas in Litauen war eine hart umkämpfte Stadt in der nie grosse Kämpfe stattgefunden haben. Rund um Kaunas bauten die Sowjets 10 Fords zur Verteidigung. Ford Nr. IX wurde 1892 ausserhalb Kaunas, während 25 Jahren gebaut, weil die Russen merkten, dass der Verteidigungsring an dieser Stelle zu schwach ist. So entstand dieses in den Stellungen vorgeschobene Ford IX zusätzlich zum Verteidigungsring der insgesamt 10 Fords. Und gerade deshalb, weil es ausserhalb war wurde diesem Ford IX eine spezielle Geschichte zugeteilt.

Litauen war 1892 nicht eigenständig, die westliche Hälfte gehörte zu Deutschland, die östliche Hälfte zu Russland. Kaunas lag im Russischen Teil. 1915 im ersten Weltkrieg übernahmen die Deutschen das erste Mal Ford Nr. IX. Es diente als Unterkunft für die Deutschen Truppen.

1918 erklärten sich Teile der Baltischen Staaten, auch Litauen als Unabhängig. Und kurz darauf wurde Ford IX als Gefängnis verwendet. 1940 fiel die rote Armee wieder in Litauen ein. Ford IX diente wieder der Verteidigung.

Die Deutschen überrannten 1940, im zweiten Weltkrieg, Kaunas. Noch so nebenbei, alle Russischen gefangenen in Ford IX wurden ermordet, das sie nicht mehr deportiert werden konnten.

Die Deutschen nutzten Ford IX zuerst als Sammelstelle für Gefangene, Politische, Polen, andere Nationen und Juden. Kurze Zeit später begannen die Deutschen mit Hilfe von freiwilligen aus der Gegend vor allem Juden im grossen Stil zu ermorden. Der erste Holocaust fand also nicht in Deutschland statt sondern hier in Kaunas. Hier wurden etwa 50´000 Menschen ermordet. Ein Mahnmal soll daran erinnern.

Als die Deutschen den Krieg zu verlieren begannen, übernahmen im Herbst 1944 wieder die Russen. Kurz vor der Übername durch die Russen verbrannten die Deutschen alle Beweise im grossen Stil, Leichen aus den Massengräbern und Material.

Viele der Baltischen Regionen, auch Litauen wurden mit harter Hand angehalten der Sowjetischen Sache zu dienen. Machte jemand nicht mit hatte er/sie mit Konsequenzen zu rechen, unter anderem als Gefangener im Ford Nr IX zu landen. 1958 etablierten die Sowjets ein Museum im Ford Nr IX. Allerdings wurde die vergangene Geschichte nicht sehr wahrheitsgetreu dargestellt. Eigentlich erzählten die Russen eine von ihnen konstruierte Geschichte, die erzählt wie man hier arme Russen ermordet hatte. Die Juden, der Holocaust wurden geflissentlich ausgelassen. Allerdings, die Litauischen Helfer wurden erwähnt. Man blieb also fast bei der Wahrheit.

Anfangs 1990 erklärte Litauen, wie alle Baltischen Staaten, seine Unabhängigkeit. Litauen ist also erst seit gut 30 Jahren wieder ein eigener Staat. Ford Nr. IX soll zur Aufarbeitung der Geschichte weiter als Museum dienen. Noch wird um die Darstellung der «richtigen» Geschichte gerungen.

Wir fanden, dass die Menschen hier im Baltikum sehr ernst sind. Wir konnten den Leuten hier kaum ein Lächeln abringen. Lernt man aber über die Geschichte des Baltikums, dann versteht man, dass kaum eine Generation vergangen ist seit die Leute hier ständig unterdrückt wurden.

Was uns an den Gelernten erschüttert ist, wie mit der Wahrheit umgegangen wird. Hüben wie Drüben werden Wahrheiten ausgelassen, eigennützig dargestellt oder gar verstellt. Genau das erleben wir in der heutigen Zeit wieder. Und wohin das führen wird, ich weiss es nicht. Aber ich bin nicht sehr glücklich darüber. Und vor allem, äussert man die geringsten Zweifel an der gerade vorherrschenden «Wahrheit», wird man sofort niedergeschrien von all den die die Wahrheit kennen.

Den Nachmittag verbrachten wir noch in Kaunas Altstadt. Aber unsere Gedanken und unsere Gespräche drehten sich ausschliesslich um die Geschichte rund um Ford Nr. IX